von Justin C. Skylark
Klappentext:
Norwegen – Anfang der 90er erfährt der Black Metal seinen Höhepunkt.
Thor Fahlstrøm ist ein angesehener Mann in der Black Metal Szene. Im Metal-Club „Metaller“ kontrolliert er die Vorkommnisse einzelner Gruppierungen und in der Kneipe seines Großvaters hält er Sitzungen mit auserwählten Anhängern ab. Als Sänger strebt der junge Fahlstrøm mit vielen andere Musikern nach Erfolg, den sie sich durch Provokation und Ablehnung der Gesellschaft einheimsen.
Thor lernt den Gleichgesinnten Magnus Eidsvag kennen, der von sich Reden macht, indem er sich auf der Bühne die Arme aufschneidet.Thor nimmt den lebensmüden jungen Mann bei sich auf, in der Annahme, ihm helfen zu können. Aber nicht nur die Musik und ihre gemeinsame Band schweißen sie zusammen, sondern Gefühle, die in der Szene nicht gern offengelegt werden. Ungeachtet dessen verstricken sich Thor und Magnus in ein handfestes Drama, das geprägt ist von einer Liebe, die nur ein Ziel vor Augen hat: den Tod.
Buchcover: © J. C. Skylark, Canva
Bild: ›Buchsüchtig-Queerblog‹
Meine Meinung:
Thor kannte ich schon aus der Dylan & Thor-Reihe des Autors und auch Magnus war mir aus diesen Büchern ein Begriff. Ihr erstes Aufeinandertreffen war gezeichnet von Thors Interesse und Magnus Gleichgültigkeit. Zumindest scheinbar, denn wäre ihm wirklich alles so egal wie er vorgab, hätte er sich vermutlich etwas anders verhalten. Aber auch so war klar, dass es Magnus auf verschiedenen Ebenen absolut nicht gut ging und er auf der Suche ist. Diese Suche mündete erst einmal darin, dass sich Thor um ihn kümmert und ihm Freiraum gewährt. Freiraum, den Magnus mit seiner Todessehnsucht füllt. Ihr Zusammenleben, wenn man es denn als solches bezeichnen kann, ist angespannt und erfüllt von einer seltsamen Gewalt, die Magnus einfordert und Thor gewährt. Ein schwieriges Verhältnis und doch schien er erstmal irgendwie zu funktionieren.
Magnus habe ich als sehr still und verschlossen wahrgenommen. Nicht direkt abweisend, eher so, als wenn er es nicht bräuchte, mehr als das Nötigste zu sagen und als ob es für ihn auch keine Bedeutung hätte. Was er allerdings wirklich brauchte, erkannte Thor nach kurzer Zeit und gewährte es Magnus, wenn auch irgendwie widerwillig und etwas schockiert. Das Gleichgewicht Ihrer Beziehung zueinander verlagert sich, Grenzen verschieben sich und es zeigte sich, dass Hilfe für jeden etwas anderes bedeuten kann. Thor hadert mit sich und dem, wozu Magnus ihn bringt. Er versteht es nicht und kann sich dem Ganzen trotzdem nicht entziehen. Er war wie in einem Strudel, in den er immer tiefer und tiefer hineingezogen wurde. Es entspinnt sich eine Beziehung, die Magnus Bedürfnisse stillt und in Thor den Wunsch erweckt Magnus zu retten. Aber wie rettet man jemanden, der nicht gerettet werden will, dem das genügt, was er hat und was er bekommt? Ich glaube, dass Thors Bemühungen niemals eine Chance hatten. Magnus weiß sehr genau, was er will und wie er es erreichen kann. Und Thor findet Mittel und Wege, wie die Beziehung zwischen ihnen so funktionieren kann, dass beide bekommen was sie sich wünschen. In diesen Momenten habe ich Thor als fürsorglichen und bedachten Menschen wahrgenommen, der sich Gedanken um die Wünsche und Bedürfnisse seines Partner macht und diese in einem sicheren Rahmen erfüllt. So wurde er sowohl Magnus, wie auch sich gerecht. Und das liebe ich an Thor wahnsinnig.
Die Einblicke in die Metal-Szene Norwegens waren interessant und Thors Stellung genauso. Er ist kein Unbekannter, eher eine bekannte Persönlichkeit, nutzt diese Stellung aber weder aus, noch missbraucht er sie. Dafür ist er viel zu besonnen. Und genau diese Beherrschung brauchte er auch im Umgang mit Magnus, der ihm mit seinem Verhalten alles abverlangt und ihn an seine Grenzen bringt. Ihre Verbundenheit kettet sie aneinander und ich hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass sich Thor der ihm von Magnus auferlegten Verantwortung ihm gegenüber entziehen würde. Er ist sehr geradlinig, bedacht und irgendwie in sich ruhend.
Das Buch hat mich stark an den Film und das Buch „Lords of Chaos“ erinnert und ich habe Dead (Per Yngve Ohlin) in Magnus wiedergefunden. All das Düstere, Hoffnungslose und Todessehnsüchtige habe ich in Magnus wiedergefunden. Und während des gesamten Buches hatte ich das Gesicht von Jack Kilmer, der Dead im Film „Lords of Chaos“ verkörperte, vor Augen, denn seine selbstzerstörerische Art, seine Phasen der Hoffnungslosigkeit, Produktivität und Verzweiflung habe ich in Magnus wiedergefunden.
Magnus mit seinen Drohungen, seinen Wünschen, Forderungen und Träumen, die ihn ausmachen und mit denen er Thor mit sich in einen Strudel aus Abhängigkeit, Gewalt, Selbstzerstörung, Liebe, Blut, Kampf und Verzweiflung zieht. All das war fantastisch beschrieben und ließ mich beim Lesen mit Magnus und Thor fühlen und leiden. Justin hat nicht einfach nur Punkte abgearbeitet, sondern selbst für die tiefsten Emotionen und selbstzerstörerischsten Handlungen feinfühlige und perfekte Worte gefunden, ohne jemals reißerisch zu werden. Das war großartig.
Der Strudel in dem sich Magnus und Thor verlieren drehte sich immer schneller und schneller. Magnus fordert immer mehr und mehr von Thor, der seinem Geliebten bald nur noch hinterherstolpert, statt an seiner Seite zu gehen und der sich seinen Wünschen im einen Moment fügt, um im nächsten vor ihnen davonzulaufen. Es muss unendlich zermürbend für Thor gewesen sein, da er zwar scheinbar über schier unendliche Kraft verfügt, letztendlich aber auch nur ein Mensch ist.
Mir ging die Geschichte von Thor und Magnus unter die Haut und ich habe an mehr als einer Stelle mit mir gekämpft und auch Tränen vergossen. Vielleicht auch, weil nicht alles in dem Buch der Phantasie entsprang, sondern sich so ähnlich auch in der Wirklichkeit abspielte, auch wenn die Personen andere Namen trugen und die Umstände nicht genau so waren. Für mich war es ein Buch über den Schmerz, der einen manchmal überfällt und dem nicht jeder Mensch etwas entgegensetzen kann. Manche Menschen sind zu zart, zu sensibel, um sich ihm gegenüber behaupten zu können. Anderen gelingt es. Wenn man die Geschichte von Per Yngve Ohlin und der Band Mayhem kennt, weiß man ungefähr, worum es in diesem Buch geht. Es gibt viele Parallelen, auch wenn nicht alles im Buch wie in der Realität abgelaufen ist.
Für mich war es ein sehr emotionales Buch voller Schmerz und Trauer, in dem sich die Hilflosigkeit auf der einen Seite, der Machtlosigkeit auf der anderen Seite gegenübersah. Mir hat es Thor noch nähergebracht und rückblickend kann ich ihn jetzt in der „Dylan & Thor“-Reihe weitaus besser verstehen. Die Ereignisse in diesem Buch machten ihn zu dem Menschen, der er ist und den ich mag. Sehr mag sogar, denn er ist ein emotional starker Mensch, aufopfernd, rücksichtslos, geradlinig, beherrscht und stur.
Man muss die „Dylan & Thor“-Reihe nicht kennen um dieses Buch genießen zu können, aber ich vermute, dass man sie nach diesem Buch lesen will und ich empfehle es auch. Dieses ist für mich weitaus emotionaler gewesen, als die Bücher der Reihe. Fordernder und rücksichtsloser. Ich hatte es innerhalb von zwei Tagen ausgelesen, da es mich so sehr fesselte und ich Magnus keine Sekunde aus den Augen lassen konnte. Ich wünschte ich könnte das Buch noch einmal neu entdecken und noch einmal zum ersten Mal mit Magnus auf die Reise gehen. Für mich war es ein Highlight im Jahr 2023. Vielen, vielen Dank, Justin, für die Geschichte von Magnus und Thor.
Erscheinungsdatum: 10. August 2023
Seitenzahl Taschenbuch: 342