Neo Lichtenberg im Interview

Hintergrund: © Sharon McCutcheon | unsplash
Cover: © Irene Repp
Profilbild: © Neo Lichtenberg

Wie bist du zum Schreiben gekommen, und wie lange schreibst du schon?

Seit meiner Kindheit lese ich. Literatur ist ein bedeutsamer Bereich in meinem Leben, ebenso Musik. So habe ich mein Hirn mit Sprache gefüllt. Als es vor ein paar Jahren an der Zeit war, aus dem Material und den Fragmenten etwas Ganzes zu machen, begann ich, die Geschichten aufzuschreiben. Von da an hat es nochmals ein paar Jahre gedauert, bis die ersten Werke veröffentlicht wurden.

Welche Aspekte sind dir in deinen Büchern wichtig, was willst du vermitteln?

Hoffnung, Authentizität und Krisen als Entwicklung sind wichtige und wiederkehrende Motive in meinen Erzählungen. Häufig finden sich bei mir vernachlässigte Menschen, beschädigte und vernarbte Seelen. Meine Figuren verbiegen sich nicht, sondern bleiben sie selbst. Trotz innerer Stabilität entwickeln sie sich. Ich halte sie häufig allgemein bezüglich der Optik und gebe dem Leser somit die Möglichkeit, sich selbst in den Figuren zu entdecken.
Ich schreibe für mich und veröffentliche für Leser. Ich schreibe, da die Motive relevant sind. Der Gedanke, dass ein Leser durch mein Werk den Mut fasst, an seinem eigenen Leben, seinem eigenen Glück zu bauen, gefällt mir.

Worüber würdest du gerne einmal schreiben, hast dich bisher aber noch nicht herangetraut?

Nichts. Generell schließe ich für mich kein Thema und kein Genre aus. Allerdings gibt es Bereiche, die für mich und meine Werke nicht an vorderster Stelle stehen, zum Beispiel Science Fiction und Historische Romane. Das sind interessante Gebiete, von denen meine Muse bisher jedoch nicht angesprochen wird.

Welche Autoren liest du selbst gerne und warum?

Bücher, die ich lese, wähle ich meist nach dem Klappentext und einer Leseprobe, weniger nach dem Autorennamen. Es gibt kaum Schriftsteller, von denen ich blind jedes Buch kaufe und lese.
In meinem Bücherregal finden sich Werke von Frisch, Hesse, Steinbeck, Isherwood, Auden …
Ich mag zeitlose Erzählungen und Kurzgeschichten.

Was tust du, wenn du eine Schreibblockade hast?

Bei einer Blockade bemühe ich mich, diese als Umleitung zu betrachten. Komme ich an einem Projekt nicht weiter, sollte ich es über einen anderen Weg angehen, es eventuell mal ruhen lassen.
Ich mag Worte, Worte mögen mich, zumindest kommen sie immer wieder zu mir zurück.

Welches deiner Bücher liegt dir am meisten am Herzen?

An dieser Stelle spreche ich über die bereits veröffentlichten Bücher „Härter“ und „Süßer“, die hoffentlich erst der Anfang sind. Über Unveröffentlichtes äußere ich mich nicht.
„Härter“ hat einen exklusiven Platz in meinem Herzen, da es mein Debüt ist. Das wiegt. Trotzdem bedeuten mir beide Werke viel.
Thor aus „Härter“ ist mir dabei besonders nah. Er kommt mit seiner verschrobenen Art einem anderen Menschen entgegen und nah, ohne dabei seine Authentizität zu verlieren. Das mag ich.

Wie gehst du mit negativen Rezensionen um? Belastet dich diese Kritik, oder versuchst du daraus für die Zukunft zu lernen? Natürlich nur, sofern es sich um konstruktive Kritik handelt.

Eine nicht wohlwollende Rezension würde mich treffen. Ich habe kein dickes Fell und bin nicht fähig, über solche Dinge unangetastet hinwegzusehen.
Zum Glück bin ich in der Lage, nachdem ich die Wunde geleckt habe, die Kritik zu betrachten und zu analysieren. Im Zweifelsfall – auch bei positiver Kritik – hole ich mir Hilfe dazu, um in einem eventuellen emotionalen Sumpf nicht steckenzubleiben.
Lernen ist eine gute Sache. Aus jeder Rückmeldung nehme ich etwas für mich und meine Arbeit mit.

Was inspiriert dich zu deinen Plots?

Eine große Inspiration ist das Leben an sich. Ich beobachte Menschen, Alltagssituationen, höre, was Menschen erzählen. Außerdem beschäftige ich mich gern mit Worten, Musik und Bildern. Irgendwann rieseln die Motive ins Hirn, setzen sich fest und entwickeln sich.
Ich reise gern, bin gern unterwegs. Dadurch erlebe ich interessante und skurrile Dinge. Reisen halten mich mitunter davon ab, mich nur um mich in meinem zurückgezogenen Leben zu drehen und den Blick auf Menschen zu verlieren.

Was würdest du dir von deinen Lesern wünschen?

Ich wünsche mir Aufgeschlossenheit. Natürlich wählen Leser aus, was ihren Vorlieben entspricht. Dies setzt jedoch häufig einen engen Rahmen fest. Warum nicht mal ein Buch, welches in der Geschichte nicht bis zum Traualtar führt? Oder mal ein Werk, in der die Liebesromanze nicht im Mittelpunkt steht?
Rückmeldungen machen glücklich. Davon wünsche ich mir für alle Schriftsteller mehr.
Ein Leser schrieb mir vor kurzem, dass er über „Härter“ nachgedacht und die Erkenntnis habe, dass es in den erotischen Szenen nicht (nur) um Sex gehe. Einer meiner befriedigendsten Momente als Autor!

Gibt es einen Protagonisten in deinen Büchern, den du ganz besonders liebst oder ganz besonders hasst?

Selbst bei Figuren, die in der Geschichte unangenehm oder bösartig erscheinen, bemühe ich mich, sie nachvollziehbar zu gestalten. Thors Mutter in „Härter“ ist kein Mensch, der in seinem Leben alles hervorragend gemeistert hat, dennoch betrachtet Thor sie nachsichtig und weiß, dass sie es schlicht nicht besser konnte, sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten handelte.
Thors Mutter mag ich nicht, dennoch bemühe ich mich, sie ähnlich verständnisvoll wie Thor zu sehen.
Den “blöden Marcel“ aus Thors Motorradrunde mag ich dagegen überhaupt nicht.
Ich mag alle meine Protagonisten, auch Calvin und Leander aus „Süßer“. Aber vielleicht ist Thor meine große Liebe?!

Gibt es eine bestimmte Zeit, in der du am liebsten schreibst?

Die Zeit, in der ich allein bin, ist eindeutig meine bevorzugte. Allerdings arbeite ich auch, wenn dem nicht so ist, zum Beispiel wenn ich unterwegs bin.

Wie muss deine Umgebung beschaffen sein, damit du gerne schreibst?

Normalerweise arbeite ich gern in meinem Arbeitszimmer am Schreibtisch oder in meinem Lieblingssessel vor dem Kamin.
Aber wenn ich auf Reisen bin und mit dem Van auf einem Stellplatz stehe, bin ich nicht zimperlich. Dann schirme ich mich allerdings häufiger durch Musik per Kopfhörer ab.

 Gibt es etwas, das auf keinen Fall fehlen darf, wenn du schreibst?

Am ehesten stilles Wasser. Hirn muss schwimmen.

Schreibst du mehrere Bücher parallel oder lieber eines nach dem anderen?

Das ist unterschiedlich. Meistens konzentriere ich mich auf ein Werk. Die eine Handlung beschäftigt mich dann Tag und Nacht.
Zurzeit arbeite ich jedoch an mehreren Projekten versetzt. Da möchte ich eine Sache zum Abschluss bringen, mache mir aber währenddessen Notizen zu einer anderen Geschichte.
Ein Projekt lasse ich bewusst ruhen, da ich dort zu tief in den Abgrund geschaut habe und eine Pause brauche.

Hast du alle Länder, in denen deine Bücher spielen selbst besucht, oder gibt es auch welche, die du noch gerne bereisen willst?

Bisher ja. Meine Werke leben allerdings von ihren Protagonisten und ihren Handlungen, weniger davon, in fernen oder exotischen Ländern zu spielen.
Ich möchte noch viele Länder bereisen, zum Beispiel irgendwann Australien und Neuseeland. Das hätte jedoch weniger mit meinen Büchern zu tun.

Entstehen alle deine Bücher in Eigenregie oder hast du bei bestimmten Phasen des Entstehungsprozesses Hilfe? Wenn ja, wo und in welcher Form?

Als Eigenbrötler schreibe ich meine Bücher allein. Bisher ist nicht der Wunsch in mir aufgekommen, diese Vorgehensweise zu ändern.
Ich mag Recherche. Dabei hole ich Informationen und Rat von anderen Menschen ein. Die Aus- und Verwertung liegt jedoch bei mir.
Meist gebe ich keine Auskunft, woran ich arbeite, bis ich etwas Vorzeigbares habe. Ich gackere nicht gern über ungelegte Eier.
Meine Bücher „Härter“ und „Süßer“ sind beim Dead Soft Verlag erschienen. Ich überarbeite meine Projekte mehrmals, bevor ich sie dem Verlag vorlege. Beim Korrektorat und Lektorat arbeite ich mit einem kompetenten Menschen weiter am Feinschliff und betrachte dies als wichtige Ergänzung meiner Arbeit.

Welches Buch würdest du einem Leser, der deine Bücher entdecken will, als Einstieg empfehlen?

›Härter‹. Von allen meinen Werken bin ich überzeugt. Sie sind so verfasst, dass sie unabhängig voneinander genossen werden können. Fangt einfach mit meinem Debüt an!

Was hast du als nächstes Projekt geplant?

Ich gackere nicht gern über ungelegte Eier. Siehe oben.
In Arbeit ist eine weitere Geschichte der losen Reihe ›Himmel auf Erden‹ aus der Kommune 8.
Zusätzlich schreibe ich gerade über einen Menschen, dem sein bisheriges Leben nicht (mehr) passt. Er bricht aus und durchläuft eine erstaunliche Entwicklung.

Gibt es etwas, was du noch ergänzen willst? Dann hast du JETZT die Gelegenheit😉

Macht mehr Liebe!

Wo findet man dich?
Im realen Leben bestimmt im Wald oder im Feld.

Interview vom 17. Mai 2020