Die Blechdose

von Kim Fielding

Klappentext:
William Lyons Vergangenheit hat ihn in eine Rolle gezwängt, die nicht seiner Persönlichkeit entspricht. Als er die Fassade nicht mehr aufrechterhalten kann, trennt er sich von seiner Frau und nimmt eine Stelle als Hausmeister für ein altes Gebäude an, das schon seit Jahren leer steht. Über mehr als hundert Jahre war die psychiatrische Anstalt von Jelley’s Valley die größte Einrichtung ihrer Art in Kalifornien. William hofft, dass er hier die Zeit und Ruhe findet, endlich seine Dissertation zum Abschluss zu bringen und seine Scheidung abzuwarten. Als er in der kleinen Stadt ankommt, lernt er Colby Anderson kennen, der den örtlichen Lebensmittelladen betreibt und sich um das Postamt kümmert. Colby ist, ganz im Gegensatz zu William, ein lebensfroher und liebenswerter junger Mann. Und er ist unverkennbar schwul. Obwohl William sich durch Colbys extravagantes Verhalten zunächst abgestoßen fühlt, lernt er ihre neue Freundschaft mit der Zeit doch zu schätzen, und er nimmt Colbys Angebot an, sich von ihm in die Freuden des schwulen Sex einführen zu lassen.

Williams Selbstverständnis wird auf den Kopf gestellt, als er eine Blechdose findet, die seit den 1940er Jahren in einer Wand des Asyls verborgen war. Die Dose enthält Briefe, die im Geheimen von einem Patienten namens Bill verfasst wurden, der wegen seiner Homosexualität hier eingeliefert wurde. William fühlt sich durch die Briefe unmittelbar angesprochen und beginnt, sich für Bills Schicksal zu interessieren. William hofft, dass die über siebzig Jahre alten Briefe und Colbys Unterstützung ihm dabei helfen können, sein wahres Ich zu finden.

Bild: © Buchsüchtig
Cover: © Dreamspinner Press | Kim Fielding

Meine Meinung:
Die Briefe, die Bill an seinen Geliebten Johnny geschrieben hat, haben mir das Herz gebrochen, denn der dadurch entstandene Einblick in Bills Alltag in dieser „Klinik“ war furchtbar. Dass es solche Dinge gab und gibt, erschüttert mich jedes Mal auf’s Neue, da es unmenschlich, brutal, lebensverachtend und absolut unnötig ist. Wie Menschen so denken und handeln können, werde ich nie verstehen. Und ich will es auch nicht. Ich kann mir diese Menschenverachtung kaum vorstellen, die in solchen „Kliniken“ an der Tagesordnung war. Zumal es noch beklemmender wirkte, da in Bills Worten immer wieder Hoffnung mitschwang, die ich nicht hatte. Hoffnung auf ein Wunder. Darauf, dass er all dem entkommt und ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Ich hatte keine Hoffnung. Vor allem dann nicht, als erklärt wurde, was eine Insulintherapie ist. Wer verdammt nochmal denkt sich so eine kranke Scheiße aus, um völlig gesunde Menschen zu zerstören??? Aber nicht nur Bill musste seinerzeit leiden. Auch William wurde in seiner Jugend gequält, was dazu führte, dass es seinen Glauben verlor und versuchte jemand zu sein, der er nicht ist. Colby half ihm auf seine enthusiastische Art dabei der Mann zu werden, der er schon immer war. Bill tat sich anfangs etwas schwer, aber er kam immer mehr aus sich heraus und legte seine Scheu ab. Seine Entwicklung zu beobachten war herrlich. Aber immer im Hinterkopf zu haben, dass er quasi zu dem Mann werden musste der er schon immer war, bevor an ihm „herumgedoktort“ wurde, war beklemmend.

Colby war ein Charakter, den ich unendlich mochte. Er ist herrlich selbstbewusst, überdreht und wundervoll. Wie er William sehr vorsichtig an die Hand nahm um ihm den Weg zu sich selbst zu zeigen, war traumhaft schön. Ich hätte mir ein wenig mehr Substanz gewünscht, denn die Geschichte an sich ist wirklich gut. Aber mir ging alles zu glatt und reibungslos über die Bühne. Genauso, wie auch die Entwicklung der Beziehung zwischen Colby und William. Es ist immer schwierig, wenn ein Mensch sich erst selbst finden muss, erst selbst erkennen muss, was er will und was er braucht. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht und erkennt nicht, dass das was vor einem liegt genau das ist, was man braucht um glücklich zu werden. Nicht nur Colby hat gelitten. Auch mir ging es so. Ich wollte ihn am liebsten schnappen und vor allem Unglück bewahren. Obwohl er das nicht unbedingt nötig gehabt hätte, da er sehr gut mit der Situation umgehen konnte. Ich habe das Buch gerne gelesen und mag es auch. Mir fehlte nur ein wenig mehr Hintergrund, einfach mehr Details, die dem Buch mehr Tiefe verliehen hätten. Aber auch ohne diese ist es ein schönes Buch, das ich empfehlen kann.

Erscheinungsdatum: 8. September 2014
Seitenzahl Taschenbuch: 190