Der Uhrmacher in der Filigree Street

von Natasha Pulley

Klappentext:
Platz 1 der Phantastik-Bestenliste!
Sein Leben lief ab gleich einem Uhrwerk. Bis er dem Uhrmacher begegnete.
»Der Uhrmacher in der Filigree Street« erzählt eine mitreißende, phantastische Geschichte um eine rätselhafte Uhr und einen ebenso spektakulären wie unmöglich aufzuklärenden Bombenanschlag auf Scotland Yard. Das Buch nimmt die Lesenden mit auf eine Reise durch das viktorianische England und das Japan des 19. Jahrhunderts und es eröffnet Türen in eine ganz andere, seltsame und magische Vergangenheit.
London, Oktober 1883. Eines Abends kehrt Thaniel Steepleton, ein einfacher Angestellter im Innenministerium, in seine winzige Londoner Mietwohnung heim. Da findet er auf seinem Kopfkissen eine goldene Taschenuhr. Es ist ihm ein Rätsel, was es mit ihr auf sich hat. Sechs Monate später explodiert im Gebäude von Scotland Yard eine Bombe. Steepleton wurde gerade rechtzeitig gewarnt, weil seine Uhr ein Alarmsignal gab. Nun macht er sich auf die Suche nach dem Uhrmacher und findet Keita Mori, einen freundlichen, aber einsamen Mann aus Japan. So harmlos Mori auch scheint, eine Kette von unheimlichen Ereignissen deutet schon bald darauf hin, dass er etwas zu verbergen hat…

Bild: © Buchsüchtig
Cover: © Birgit Gitschier unter Verwendung der Daten des Originalverlags

Meine Meinung:
Thaniel ist ein Charakter, dem ich anfangs neutral gegenüber stand und der meine Neugierde erst etwas später weckte. Dafür war seine Uhr umso interessanter und auch die Ereignisse, in die Thaniel unfreiwillig und fremdbestimmt hineinstolpert, waren es. Er wird wie auf Wellen durch diese getragen und betrachtet sie teilweise staunend, ohne sich im Klaren zu sein was genau gerade um ihn herum geschieht, denn alles lag wie in einen feinen, die Wahrheit verbergenden Nebel gehüllt, vor ihm. Mit ihm und Keita prallten nicht nur zwei grundverschiedene Kulturen die sich doch in manchen Punkten gleichen zusammen, sondern auch zwei Menschen, die auf den ersten Blick sehr verschieden wirken, bei denen ich aber sofort den Eindruck gewann, dass sie vermutlich mehr gemeinsam haben, als es anfangs den Eindruck macht.

Ich musste grinsen und mir wurde es warm ums Herz, als mechanische Dinge ein Eigenleben entwickelten und die Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes einen sehr fantasievollen Ton annahm. Dieser Steampunk-Anteil in dem Buch hat mir sehr gut gefallen und ich konnte fast das Zischen, Surren und Klimpern der verschiedensten Gerätschaften hören. Ganz ähnlich wie Thaniel Töne in Form von Farben sehen konnte, was in der Geschichte auf sehr feine Art erwähnt wird. Er schämte sich dieser Fähigkeit und vertraute sie Keita trotzdem an, auch wenn er im Nachhinein überrascht von seiner eigenen Offenheit diesem gegenüber war.

Mit Keita war es so eine Sache. Irgendwie wurde ich anfangs nicht schlau aus ihm, denn er wusste Dinge die er unmöglich wissen konnte und die Thaniel betrafen. Das machte mich allerdings auch wahnsinnig neugierig auf die Auflösung der verworrenen Fäden, die die Geschichte bildete. Und trotz der Tatsache, dass ich beide Hauptcharaktere nicht sofort abgöttisch geliebt habe, waren sie doch interessanter als gedacht und so schlichen sie sich langsam in mein Herz, wo sie blieben und ich sie nicht mehr missen möchte. Als Thaniel von Keitas Wissen erfuhr, war er nicht minder überrascht und ich hatte den Eindruck, dass sich im Laufe des Buches viel mehr Fragen auftaten, als beantwortet wurden. Das war zwar megaspannend, aber auch irgendwie verwirrend, wenn auch auf eine sehr coole Art. Gepaart mit der ruhigen und entspannten Erzählweise der Autorin ergab sich so eine Mischung die absolut fesselnd und ungewöhnlich war. Ich hatte schnell eine Theorie, die zu Moris Verhalten, seinem Wissen und den Dingen die er tat passte, und die auch diese wunderbare Uhr mit einschloss, aber trotzdem blieb ein kleiner Zweifel zurück.

Da Mori sehr verschlossen ist, und sich vielleicht doch alles ganz rational erklären lassen könnte, war ich mir mit meiner Theorie nicht sicher. Aber selbst Thaniel, der ja nun mittem im Geschehen war, schien keine logischere Erklärung als meine zu finden.

Zumal sich die rätselhaften Vorkommnisse häuften und nicht nur mich immer gespannter, wenn auch verwirrter, durch die Seiten fliegen ließen. Es geschahen unglaubliche Dinge, die die Autorin so wundervoll in Worte verpackte, dass ich immer mehr und mehr wissen wollte.

Und so fügten sich in diesem Buch die vielen kleinen Schnipsel sehr langsam zu einem Gesamtbild, bei dem mir das Herz aufging. Keita und Thaniel nähern sich so überaus vorsichtig an, dass ich befürchtete jeder Lufthauch zuviel würde alles zum Einsturz bringen. Gerade bei Keita war es deutlich, denn er zeigt Thaniel mit winzigen Gesten seine Zuneigung, in dem er dessen Talente, Wünsche und Träume achtet, beinahe unsichtbar fördert und schließlich erfüllt, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Und das alles auf die ihm eigene zurückhaltende und vorsichtig-zarte Art, die ich so wahnsinnig an ihm lieben gelernt habe. Er tut nichts unüberlegt oder überstürzt und das war auch so ein Punkt, den ich an ihm mag. Am liebsten hätte ich ihn in eine große, flauschige Decke eingewickelt um ihn vor jeglichem Unrecht zu bewahren, konnte aber nur von außen zusehen, wie es ihm erging. Eine eigenwillige Entwicklung, die ich nur selten bei Protagonisten in einem Buch erlebe.

Dieses Buch konzentriert sich auf eine wundervolle Art auf seine Protagonisten und man lernt sie mit jeder Seite besser durch ihre Handlungen und Gedankengänge kennen. Ich mochte es sehr, dass mir ihre verschiedenen Charaktere nicht mit dem Holzhammer und nervigen Erklärungen um die Ohren gehauen wurden, sondern ich sie selbstständig entdecken durfte.

Ich empfehle dieses Buch auf jeden Fall weiter, denn für mich war es wie eine anfangs verschlossene Truhe, deren bunter, glitzernder Inhalt erst zutage trat, als der Deckel langsam geöffnet wurde und Tageslicht hineinließ. Wer allerdings seitenlange Sexszenen braucht, wird mit diesem Buch nicht glücklich. Hier geschieht alles sehr viel feiner, vorsichtiger und verborgener, was perfekt zu der Zeit passt, in der das Buch spielt.

Endlich mal wieder ein Buch, welches ich mit einem guten Gefühl und einem Lächeln geschlossen habe. Von mir also eine klare Leseempfehlung für dieses Wohlfühlbuch, das mir sehr gut gefallen hat und nach dessen Ende ich mich nur sehr ungern von Thaniel und Keita getrennt habe.

Erscheinungsdatum: 18. September 2021
Seitenzahl Taschenbuch: 448