Die Stille verstehen – (K)eine Weihnachtsgeschichte

von Irvin L. Kendall

Klappentext:
Es ist kurz vor Weihnachten, und Carter langweilt sich jetzt schon. Ein weiteres Fest, das alle mit ihren Lieben verbringen werden, während er weder eine Familie noch Freunde hat, mit denen er feiern könnte. Überraschend bietet der sonst stille Jared an, mit ihm einkaufen zu gehen. Die beiden kommen ins Gespräch, und Jared erzählt Carter nach und nach seine Geschichte, die alles andere als weihnachtlich schön ist …

Achtung! Dies ist KEINE zuckersüße Weihnachtsgeschichte, wenngleich sie im Kern positiv ist und dazu anhält, anderen zuzuhören, miteinander zu reden. Zwar werden keine Details beschrieben, dennoch werden Themen angesprochen (es kommen u.a. Kinder zu Schaden), die für manche Menschen Trigger beinhalten können.

Novelle. Eher zufällig als ausdrücklich gay (keine expliziten Szenen).

Cover: © Diana Buidoso, Digital Arts unter Verwendung folgender Motive: © Ville, © Robsonphoto – Adobe Stock License
Hintergrund: © covervault.com

Meine Meinung:
Es ist schon erstaunlich, wie Menschen sich manchmal verhalten. Und entsetzlich, was manche Menschen in der Gegenwart mit sich herumtragen müssen. Man kann niemandem ansehen, was sich in seiner Vergangenheit zugetragen und vielleicht auch jetzt noch Auswirkungen auf sein Leben hat. Ich habe Jared als stark und mutig wahrgenommen, denn er hat nicht aufgegeben und sich nicht unterkriegen lassen. Und das, obwohl er auf mich auch einen sehr verletzlichen und zarten Eindruck machte. Trotzdem konnte er verhältnismäßig sachlich über seine Vergangenheit sprechen und somit Carter einen Einblick in sein bisheriges Leben gewähren. Und dieses „Leben“ war es dann, dass mich wütend machte. Ihm wurde alles verwehrt, was lebenswert ist. Und nicht nur ihm, auch seiner Schwester, der einfach Ungeheurliches angetan wurde. Menschen können so pervers sein… Dass aus Jared trotz allem dieser wundervolle Mensch werde konnte, als der er in diesem Buch beschrieben wurde, war kaum zu glauben. Denn er machte auf mich einen relativ geerdeten Eindruck und ich habe jeden Satz, mit dem seine Vergangenheit mehr Kontur gewann, gespannt und vor allem entsetzt verfolgt. Was dort erzählt wurde, ist grausam, pervers und absolut unverzeihlich.

Und trotz allem bereitet Jared gemeinsam mit Carter ein wunderschönes Weihnachtsfest vor und ich habe mich sehr für die Beiden gefreut, die ich mit ihren Gesprächen immer besser kennenlernte und mit jedem Satz lieber gewann. In diesem Buch haben sich zwei Seelen gefunden, die sich vielleicht nicht gesucht haben, aber doch auf eine ganz wunderbare Weise miteinander harmonieren.

Die Vergangenheit ist nicht alles. Wichtiger sind die Gegenwart und die Zukunft und das, was man aus seinem Leben macht. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und hätte mich über einige Seiten mehr gefreut. Aber auch so ist sie besonders und zeigt wieder einmal, dass alle Menschen mehr als die Summe ihrer Teile sind. Die Vergangenheit nimmt unweigerlich Einfluss auf unsere Gegenwart und Zukunft, aber unsere Entscheidungen können alles verändern und zum Besseren wenden. Von mir eine klare Leseempfehlung für diese Kurzgeschichte die Irvin in ganz wundervolle Worte gehüllt hat und die ruhig und ohne reißerisch zu werden von ihm erzählt wurde. Das Thema hätte durchaus auch breitgetreten werden können, aber so wie Irvin es in Worte verpackte, passte es perfekt zur Geschichte, ohne seinen Schrecken zu verlieren.

Für mich ist dieses Buch ein Kleinod, für das man sich auf jeden Fall Zeit nehmen sollte. Zucker sucht man hier vergebens, aber dafür bekommt man menschliche Abgründe und ein Schicksal, welches in dieser oder ähnlicher Form vermutlich häufiger vorkommt, als man glaubt.

Erscheinungsdatum: 14. November 2021
Seitenzahl Taschenbuch: 67