Jayden V. Reeves im Interview

Photo: Shelling Ford on Unsplash | Logo © Jayden V. Reeves

Kürzlich durfte ich den Autor Jayden V. Reeves interviewen und zu seinem geplanten Buch, welches den Arbeitstitel ›The K-Project‹ trägt, wie auch zu seinem schriftstellerischen Schaffen an sich, ausquetschen.
Bisher habe ich sowohl seine Dilogie, die aus den Büchern ›Der steinerne Garten‹ und ›Die Scherben seiner Seele‹ besteht, wie auch seine Geschichte ›Open End‹ in der Anthologie ›24 Days of Queer@venthologie‹ (in welcher er als Autor und neben Lena M. Brand und Gabriele Oscuro auch als Herausgeber tätig war) gelesen, und liebe diese Bücher sehr. Für Interessierte finden sich auf meiner Blog- Homepage zu allen drei Büchern Rezensionen, die einen Einblick in diese verschaffen und selbstverständlich könnt Ihr Euch auch auf der Homepage des Autors über diese Bücher informieren.
In der Dilogie, die sich den Genres Gay-Bisexual-Drama und Contemporary zuordnen lassen, treffen wir auf Riley Buchanan und Nathanyel Llewellyn Pritchard, die für mich überaus interessante, vielschichtige und sperrige Charaktere darstellen.
 Jayden schreibt über sich selbst, dass ihn Tabus wenig interessieren und er auch vor kritischen Themen wie Mord, Vergewaltigung und schweren psychischen Störungen nicht zurückschreckt, ohne diese zu verherrlichen oder zu romantisieren. Dem kann ich nur zustimmen, denn gerade diese ungeschönten und schonungslos ehrlichen Beschreibungen sehr intensiver und schwieriger Themen sind es, welche mir an seinen Büchern besonders gut gefallen. Man ist in jeder Sekunde bei den Protagonisten und erlebt alles hautnah mit.
Wir haben auch über sein neues Buch gesprochen, welches sich derzeit in der Entstehung befindet und ich bin mehr als gespannt, wie sich die von ihm gewählten Themen zusammenfügen werden.

Tris: Hey Jay, schön, dich zu sehen und ganz lieben Dank, dass du dir die Zeit nimmst.

Jayden: Klar gern, danke, für die Chance (zwinkert).

Tris: Zunächst erst einmal die typische Eingangsfrage: Wie lange schreibst du schon und was hat dich zum Schreiben inspiriert?

Jayden: Ich kann mich erinnern, dass ich bereits im Grundschulalter begonnen habe. Das erste Schreibprojekt,  was ich dann aber wirklich ernsthaft verfolgt habe, war dann mit 17 Jahren eine Geschichte über sexuelle Gewalt/Inzest. Danach habe ich immer mal wieder bis 2000 an einem Roman geschrieben, den ich aber nie fertiggestellt habe. Richtig wieder angefangen habe ich schließlich sehr spontan erst wieder im Sommer 2015. Da habe ich unser Wohnzimmer gestrichen und plötzlich war die Idee und die Lust da.

Tris: Existieren die ersten Geschichten noch, oder sind sie verschwunden?

Jayden (lacht): Gute Frage. Ich glaube ich habe sie noch irgendwo auf meiner externen Festplatte.

Tris (grinst schelmisch): Vielleicht wird daraus irgendwann mal Stoff für ein Buch.

Jayden (reißt entsetzt die Augen auf): Oh mein Gott, das lieber nicht.

Tris: Schade, das wäre sicher interessant geworden (grinst). Aber wenn du mit dieser Geschichte abgeschlossen hast, war es richtig so.  Als dich 2015 der Plot angesprungen hat, wusstest du schon wie sich die Geschichte entwickeln würde, oder gab es erst mal nur ein grobes Gerüst?

Jayden: Nein, was die Entwicklung betraf, hatte ich nichts in Planung. Damals habe ich nicht geplottet, wobei ich das beim aktuellen Projekt überraschenderweise tue und auch brauche. Das liegt aber an dem gegenwärtigen Thema. Bezüglich meinem Debüt war mir lediglich grob klar, was ich wollte: zwei Hauptprotagonisten, von denen mir der eine in seiner Impulsivität und Verschlossenheit sehr ähnlich sein und der andere autistische Manierismen zeigen sollte. Außerdem sollte es eine Coming Out Geschichte werden. Ich wollte die innere Zerrissenheit eines Menschen widerspiegeln, der fest daran glaubt, sich seine wahren sexuellen Neigungen nicht eingestehen zu dürfen, weil er der Überzeugung ist,  dann alles und letztendlich sich selbst zu verlieren.  Riley sollte seine Bisexualität erst entdecken und sein sexuelles Verlangen nach Männern scharf verurteilen. Ganz anders als Nathanyel, welcher mit jener Selbstverständlichkeit vorgeht, die wir uns alle gesellschaftlich wünschen.
Der Anfang war schnell gemacht, ich beginne generell spontan – steige direkt in die Szenen ein, ohne eine lange Einleitung vorherzuschicken und mir kam der Gedanke, dass die erste Begegnung zwischen den beiden zufälliger Natur sein sollte und in einem recht ungewöhnlichen Rahmen. So kam es, dass Riley Nathanyel aus einer psychiatrischen Klinik abgeholt hat und sie die folgende Nacht aufgrund eines Unfalles gemeinsam im Auto verbringen mussten. Eines fügte sich zum anderen und alles Weitere hat sich dann erst ergeben. Ich hatte ehrlich gesagt damals noch gar nicht vor, das jemals ernsthaft zu veröffentlichen.

Tris: Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass du die Geschichte weiter verfolgt hast und so ›Der steinerne Garten‹ entstanden ist.

Jayden: Ganz ehrlich? Ich war da sehr unbedarft – ich wusste noch nicht mal, dass überhaupt ein solch großer Markt für queere Romane existiert. Ich bewege mich selbst eher in anderen Gefilden, wenn ich lese.

Tris: Was liest du denn gerne?

Jayden: Ich mag düstere Romane, gerne Horror. Und bei düsteren Romanen sind Dramen nicht weit entfernt.

Tris: Dramen sind im queeren Genre auch eher selten vertreten und meiner Meinung nach hast du mit der Veröffentlichung Mut bewiesen.

Jayden: Danke – vermutlich vor allem, was den Ausgang des ersten Bandes betrifft, was sehr schade ist, weil da den Leser*innen, die sich pauschal dagegen sperren, sicherlich eine wunderbare Geschichte entgeht, in welcher nicht einmal die Worte ›Ich liebe dich‹ ausgesprochen werden, die aber dennoch randvoll mit starken Gefühlen ist (lächelt).  Meiner Beobachtung nach sind im queeren Genre mehr romantische Dramen vertreten, die Rufe nach dem typischen Happy End sind eben laut und werden auch von vielen einschlägigen Verlagen so vorgegeben, damit sich die Bücher verkaufen. Romanzen sind jedoch grundsätzlich nicht meins. Dramen berühren, sie erschüttern und erschrecken. Es ist nicht immer realistisch, dass am Ende der Geschichte alles wie ausradiert scheint.

Tris (nickt): Mit den starken Gefühlen kann dir nur zustimmen. Ein kleiner Teil der Dilogie thematisiert durchaus eine Romanze, wie ich finde. Auch wenn meiner Meinung nach nicht der Fokus darauf liegt. Was war dir besonders wichtig, als du ›Der steinerne Garten‹ geschrieben hast? Gab es einen oder mehrere Punkte, die in dem Buch vorkommen mussten?

Jayden: Authentizität ist mir immer sehr wichtig. Ich hasse es, wenn es unglaubwürdig wird und verliere als Leser dann rasch die Lust an einem Buch.
Was mein Debüt betrifft, habe ich immer mal wieder die Rückmeldung bekommen, dass manchen die Entwicklung der Beziehung zwischen Riley und Nathanyel zu lange gedauert hat – oder auch in Band 2 die Schilderung von Rileys posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und der daraus folgenden Depression. Ich bin jedoch der Meinung, dass ich solche Entwicklungen nicht raffen darf. Ich will, dass meine Leser*innen spüren, was der Protagonist gespürt hat, es quasi selbst durchleben. Das kann man nicht in wenigen Kapiteln abwickeln. Die Beziehung zwischen Riley und Nathanyel stelle ich mir auch im realen Leben sehr schwierig zu handhaben vor. Da sind schließlich Welten aufeinandergeprallt.
Riley war im ersten Band aufgrund seiner zurückliegenden Drogensucht und seiner kriminellen Vergangenheit sehr mit sich beschäftigt; er hat daher kaum Zugang zu Nathanyel gewollt oder zugelassen. Er kam mit seinem impulsiven und egozentrisch wirkenden Wesen daher nicht immer gut an. Nicht wenige Leser*innen haben vorwürfig reagiert, aber wenn jemand nie den Grund hatte, sich mit Autismus auseinanderzusetzen und darüber hinaus genug eigene Probleme hat, dann kann eine solche Beziehungsfindung auch durchaus so ablaufen. Und ja – auch genauso langwierig, mit allen Rückschlägen, Gewaltausbrüchen, Zurückweisungen etc. Da kam einfach viel zusammen, das darf man eben nicht vergessen.

Tris: Ich lese immer wieder von anderen Autor*innen, dass es sich für sie so anfühlt, als würden ihre Protagonisten ein Eigenleben entwickeln und daher die Geschichte schreiben oder lenken. Wie ist das bei dir?

Jayden: Ich glaube, ich schreibe keine Geschichten, in denen ich die Protagonisten sehr bewusst lenke – ich sage aber auch nicht, dass sie sich selbst lenken. Ich schreibe auf, was ich denke, was passieren könnte und das ist nicht immer schön. Menschen handeln nicht immer nett und sind in gewissen Situationen zu abscheulichen Handlungen fähig. Grundsätzlich habe ich eine Vorstellung von einem Charakter, wenn ich ihn erschaffe; er hat seine Ecken und Kanten und daher kann es auch passieren, dass er Dinge tut, mit denen ich selbst absolut nicht konform gehe. Aber diese Handlungen gehören zu ihm und in der jeweiligen Situation erschienen sie mir schlüssig. Ich meine, wie oft könnten wir in uns gehen und zu uns sagen, ›gut, dass dies jetzt niemand gesehen oder mitbekommen hat‹. Wir haben alle eine andere Seite. Ich versuche mich also geistig in die Situation zu versetzen und spüre tief in mich hinein. Meine spontane Reaktion ist meist die, die auch am glaubwürdigsten ist. Also wird sie aufgeschrieben. Da lenkt niemand irgendetwas.

Tris: Ich habe sowohl Nathanyel wie auch Rileys Handlungsweisen sehr gut nachvollziehen können. Nathanyels vielleicht sogar besser, als Rileys. Schwierig und sperrig sind sie beide und gerade das liebe ich an ihnen. Sie haben beide mehr als eine Seite und ich habe sie langsam kennen- und verstehen gelernt.
Dann kann man also sagen, dass du auf den ersten Seiten nicht wusstest, wie ›Der steinerne Garten‹ einmal enden würde? Oder stand dessen Ende fest und die Möglichkeiten für ›Die Scherben seiner Seele‹ waren nach allen Seiten offen?


Jayden (grinst): Band 2 war ja gar nicht geplant.

Tris: Stimmt!! Das kam ja dann erst später (lacht). Aber ich denke auch, dass der erste Band mit dem zweiten einfach besser ›funktioniert‹. Für mich machte er die Geschichte um Riley erst vollständig und es waren im ersten Band auch nicht alle Fragen geklärt. Zumindest hast du einige Handlungsstränge offengelassen und so die Neugier auf einen zweiten Band entfacht.

Jayden: Ich habe irgendwann gespürt, dass Band 1 nicht gut ausgehen würde. Das hat sich irgendwie so abgezeichnet und man kann dies ja auch in den Rezensionen lesen, dass andere dies genauso gespürt haben und kein anderes Ende gepasst hätte. Es war daher nur konsequent. Ich sage ja immer, ein gutes Ende ist eines, was zur Geschichte passt. Für Band 1 trifft dies zu. Doch als ich hier die letzten Worte geschrieben habe, wusste ich, dass es weitergehen musste, da noch viel zu viel offen war. Was das organisierte Verbrechen betraf, waren viele Fragen nicht abschließend beantwortet worden. Ebenso haben sich viele gefragt, was nach der Schlussszene mit Nathanyels Bruder Delwyn passiert ist. Irgendwann fühlt man jedoch, wann es erst einmal Zeit für einen Cut ist und was in einem weiteren Teil erzählt werden muss. In Band 2 ist neben der Schließung jener und weiterer Handlungsstränge vor allem Rileys erlittenes Trauma aus Band 1 allgegenwärtig. Ich fand es reizvoll hier einzutauchen und sehr akribisch zu beschreiben, was solch ein Erlebnis in einer menschlichen Seele anrichten kann. Wie sich das Wesen verändern kann. Wie abgestumpft und roh jemand werden kann und wie viel Kraft jedoch in einem steckt, sobald man begreift, dass man einen anderen Menschen retten kann, wenn man aufsteht und trotz aller psychischen Widrigkeiten zu kämpfen beginnt.

Tris: Im zweiten Band hast du Riley durch die sprichwörtliche Hölle geschickt und es gibt in diesem Buch mehrere Szenen, die nichts für schwache Nerven sind. Ich habe einige Tränen vergossen und trotzdem denke ich, dass alles genau so kommen musste, um das Buch so abzuschließen, wie du es dann getan hast. Mit einem Ende, welches hoffen lässt, dass alles wieder gut wird und die Charaktere lernen werden mit dem Erlebten klarzukommen. Was hast du empfunden, als Riley sich seinen ›Dämonen‹ gegenübersah? Hast du mit ihm gelitten, oder konntest du relativ nüchtern die Handlung vorantreiben?

Jayden (lacht laut): Oh nee gar nicht. Das war sehr schlimm (wird wieder ernst). Ich suche gemeinhin immer passende Musik für das Schreiben gewisser Szenen und für das Finale in Band 2 habe ich mir die Playlist von ›Sicario‹ geschnappt. Sie war regelrecht prädestiniert dafür. Sie hat das Erleben dieser Szenen für mich sehr intensiviert und mir ging es zu diesem Zeitpunkt seelisch wirklich nicht gut. Rückblickend kann ich nur sagen, dass es aber eben genau das gebraucht hat. Man liest immer wieder von Schauspielern, die sich einige Wochen lang in dieselbe Lage ihrer Rollen begeben, um diese besser zu verstehen, um realistisch denken und agieren zu können. Ich bin überzeugt, dass es mir da ähnlich ergangen ist. Ich war geschunden ohne Ende, ich habe kaum geschlafen, kaum gegessen und war in diesem Szenario regelrecht gefangen. Das macht Rileys gesamtes Handeln, Fühlen und Leiden aber eben so lebendig. Hier konnte es keinen Sonnenschein geben.

Tris (nickt verstehend): Nachdem du deine Dilogie abgeschlossen hattest, wurden Fragen nach einem neuen Buch laut. Auf deinen Social Media-Kanälen und deiner Homepage konnte man erfahren, dass sich dieses bereits in Arbeit befindet. Den Titel hältst du noch geheim und bisher entwickelt sich das Buch unter dem Arbeitstitel ›The K-Project‹. Was wird uns erwarten?

Jayden: Ich würde es als Kriminal-Drama bezeichnen, es aber nicht in die Sparte ›Krimi‹ packen. Es geht nicht in erster Linie darum, ein Verbrechen aufzuklären – dies passiert eher als Nebenhandlung. Eher begleitet der/die Leser*in den Hauptprotagonisten auf eine Reise in seine recht düstere Kindheit, in welcher Mord, Alkoholismus und Bipolarität thematisiert werden.
Der nordirische Hauptcharakter Ledger Cattric arbeitet als DI beim Major Incident Team der Merseyside Police in Liverpool. Bei der Untersuchung eines besonders bestialischen Mordes entdeckt er plötzlich verstörende Hinweise, die ihn letztendlich persönlich zu betreffen scheinen.  Recht bald erkennt er, dass er ein Teil des großen Ganzen ist und sieht sich gezwungen, zurück nach Belfast zu reisen, um dort seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Schwierig nur, wenn man bereits als Teenager, aufgrund der zurückliegenden Ereignisse, eine neue Identität angenommen hat.

Tris: Klingt spannend. Und wieder hat dein Protagonist einen ungewöhnlichen Namen (grinst breit). Also wird auch dein kommendes Buch in Großbritannien spielen. Die Ecke lässt dich scheinbar nicht los.

Jayden (lächelt): Nein, selbstverständlich lässt mich UK nicht los. Wie soll das auch gehen? Gefühlt sind hier meine Wurzeln und mein Zuhause.

Tris: Wie wird sich in diesem Buch die queere Komponente einfügen? Ist es Ledger selbst, oder webst du sie anderweitig in dein Buch ein?

Jayden: Wer sich ein wenig mit meiner Art zu schreiben beschäftigt hat, der weiß, dass ich hier nie den Hauptfokus lege. Das war selbst bei meinem Debüt nicht der Fall, obwohl ich hier Rileys Coming Out thematisieren wollte. Grob kann ich sagen, dass es homosexuelle Charaktere geben wird und auch Polyamorie ein Randthema ist. Andere Themen sind noch recht nebulös, daher kann ich hier noch nicht abschließend was sagen, aber ja, Ledger lebt in einer homosexuellen Beziehung.

Tris: Was erwartet uns sonst im dem Buch? Abgesehen von den eben genannten Themen?

Jayden: Der Aufbau des Buchs wird für mich vollkommen neu sein. Ich bin kein Freund von Headhopping, es strengt mich selbst als Leser an, immer wieder die Sichtweise zu wechseln und ich denke auch, man muss nicht alles wissen. Im Real Life weiß ich auch nicht, was im Kopf meines Gegenübers gerade so vor sich geht (grinst).  Bei ›The K-Project‹ werde ich es allerdings anders handhaben. Während die Hauptstory ausschließlich aus Ledgers Sicht geschrieben wird, werden Rückblicksequenzen in der Sichtweise variieren. Aber keine Angst, diese Sequenzen werden klar erkennbar sein und sich ins Gesamtbild fügen, so dass am Ende ein vollständiges Gemälde entstanden ist. Das wird sicher Spaß machen. Was die anderweitigen Themen betrifft, werden die recht kunterbunt sein: Somnambulismus,  Depressionen, sexuelle Gewalt an Minderjährigen, welche auch inzestuös einzuordnen ist, und körperliche Gewalt werden weitere Themen sein. Ja – und natürlich die Morde an sich.

Tris: Also wird es ein wenig wie ein Puzzle, man kann beim Lesen des Buches die einzelnen Teile sammeln um sie am Schluss zusammenzufügen?

Jayden (grinst und nickt zustimmend): Ja, irgendwie schon, jetzt, wo du es so sagst.

Tris: Klingt super. Ich mag solche Dinge sehr. Du hattest mir im Vorfeld verraten, dass Ledgers Partner als Gerichtsmediziner tätig ist. Wird er mit diesem zusammenarbeiten, oder haben sie vornehmlich privat miteinander zu tun?

Jayden: Wie schon gesagt, wird es nicht vorrangig um die Aufklärung eines Kriminalfalles gehen. Der Roman wird durch die persönliche Hintergrundgeschichte des Hauptcharakters an Tiefe gewinnen.  Ich denke daher schon, dass sein Partner unabhängig von seinem Beruf, eine Rolle spielen wird.

Tris: Deine Themenwahl empfinde ich übrigens  speziell und sehr spannend. Möchtest du kurz umreißen, worum es sich bei Somnambulismus handelt? Mir, und sicher auch anderen, ist dieser Begriff fremd (lacht beschämt).

Jayden (lächelt): Ein schönes Wort, nicht wahr?

Tris: Ein sehr schönes Wort sogar. Allein der Klang ist wundervoll. Es ›rollt‹ quasi auf der Zunge (grinst).

Jayden (lacht laut auf): Somnambulismus ist nichts anderes als schlafwandeln. Sehr interessant das Thema. Nach dem obligatorischen Prolog beginnt die erste Szene damit, dass sich Ledger mitten in der Nacht auf einer Großbaustelle wiederfindet.

Tris: Ledger weiß vermutlich nicht, wie er auf die Baustelle gekommen ist, vermute ich. War es seine erste Erfahrung mit dem Schlafwandeln, oder kennt er solche Situationen von sich?

Jayden: Er kennt sie, allerdings lernt er sie auch erst wieder neu kennen. Somnambulismus war nämlich bereits in seiner Kindheit ein Thema, dann hat es sich jedoch irgendwann verloren. Bei Erwachsenen tritt das tatsächlich sehr selten auf und wenn, dann sind die Hintergründe nicht immer harmloser Natur. Diese Szenen werden sich auch immer mehr zuspitzen und gefährlicher werden.

Tris: Dann war es sicher nicht einfach für ihn, als er wieder damit konfrontiert wurde. Wenn du von ›nicht harmloser Natur‹ der Hintergründe sprichst, wird uns ja wieder einiges erwarten. Werden wir auch in diesem Buch wieder hautnah bei den Protagonisten sein, wie es in deiner Debüt-Dilogie der Fall war?

Jayden (grinst): Oh ja unbedingt. Denke, da werde ich wie üblich kein Blatt vor den Mund nehmen.

Tris: Sehr gut. Gibt es bei deinem aktuellen Buch eine bestimmte Routine, die du beim Schreiben einhältst? Schreibst du beispielsweise immer zur selben Zeit, oder stimmst du dich mit bestimmten Songs auf das Schreiben ein?

Jayden: Ich habe bemerkt, dass ich viel Zeit brauche, um wieder in den Text hineinzufinden. Daher lese ich den letzten Absatz immer noch einmal, dann verändere ich hier und da und dann kann ich irgendwann weiterschreiben. Das geht nicht schnell. Deswegen muss ich mir ein Zeitfenster schaffen, in dem das möglich ist und das geht eigentlich nur an meinen freien Tagen, denn da habe ich die Gewissheit, dass ich alleine zuhause bin und mich niemand stören und demzufolge rausreißen wird. Allerdings gibt es diese Möglichkeiten nicht so häufig. Früher habe ich am liebsten abends geschrieben – das hat sich verändert. Ich bin zu müde. Inzwischen schreibe ich früh morgens und brauche auch Pausen. Ich hatte ja vorhin ›Sicario‹ erwähnt, was mir geholfen hat, das Finale der ›Scherben‹ zu schreiben. Musik ist jedoch nicht immer von Vorteil. Wenn ich Musik höre, dann favorisiere ich Musik von diversen Komponisten, die eher der Filmmusikbranche zuzuordnen wären.

Tris (lacht): Man könnte also sagen, dass du schon während des Schreibens das erste Mal den Text überarbeitest. Das stelle ich mir spannend vor, wenn dann die Muse dazwischengrätscht und noch die eine oder andere Sache unterbringen will, die vielleicht nicht an diese Stelle passt oder die nachfolgenden Szenen über den Haufen wirft. Wenn du dann gänzlich herausgerissen würdest, wäre das sicher kontraproduktiv, nehme ich an.

Jayden: Ganz sicher. Ahh … (grinst). Und ich brauche Kaffee.  Und Schokolade.

Tris: Allgemein scheint Kaffee ein sehr wichtiger Bestandteil beim Schreiben zu sein. Ich kann das absolut nachvollziehen. Genauso wie die Schokolade. Sie hilft sicher beim Denken (grinst wissend).

Jayden: Nun ich trinke ja nicht so richtig Kaffee. Ich gehöre zu den Milchschaumschlürfern (lacht). Ich mag die Kaffeenote sehr gern und ich rieche ihn auch gerne – puren Kaffee würde ich allerdings nie trinken. Da favorisiere ich tatsächlich ganz klassisch Tee. Meinen ›Jay-Spezial‹ brauche ich aber gelegentlich, um mich wohlzufühlen. Ebenso wie die Schokolade. Du kannst gerne mal einen probieren?

Tris: Einen ›Jay-Spezial‹? (grinst) Wie könnte ich da Nein sagen?
Glaubst du, dass die Tageszeit während des Schreibens einen Einfluss auf dich hat? Ich könnte mir vorstellen, dass dir besonders in der Nacht mit der naturgegebenen Dunkelheit und Stille, ganz andere Gedanken kommen, als wenn du bei strahlendem Sonnenschein im Garten unter einem Baum sitzt.

Jayden (lacht): Erst einmal sitze ich nie nie niemals in der Sonne. Ich mag die Sonne zwar, aber ich sitze nicht gerne unter ihr. Und tatsächlich nimmt helles Licht Einfluss auf mein Schreiben, daher ja die Musik, die hilft, mich besser hineinzuversetzen. Nachts kommen eher Ideen, da kann ich Szenen überdenken und eventuelle Plotknoten lösen, die ich dann tagsüber schreiben kann.
Es gibt zu meinem Debüt übrigens ein Stück zu jeder Szene. Ich habe auch damit angefangen eine Playlist zusammenzustellen, damit das nachgehört werden kann, wenn jemand Lust dazu hat.

Tris: Eine Playlist ist natürlich eine super Sache für all jene, die während des Lesens gerne Musik hören. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Szenen mit der passenden musikalischen Untermalung noch einmal mehr an Intensität gewinnen.

Jayden: Ja, beim Rudellesen zu ›Die Scherben seiner Seele‹ habe ich den Lesenden ab und an die Songs genannt, die ich gehört habe, während ich bestimmte Kapitel geschrieben habe. Einhellig wurde mir da tatsächlich auch zurückgemeldet, dass sie intensiver zu lesen waren.

Tris: Dann nimmt also deine Umgebung naturgemäß Einfluss auf dein Schreiben. Beim Lesen scheint es ähnlich zu sein, ich kann das also sehr gut nachvollziehen. Da du gerade das Rudellesen erwähnst, wirst du eine ähnliche Aktion auch zu deinem neuen Buch starten, oder ist das eher nicht geplant?

Jayden: Doch das werde ich ganz bestimmt tun. Wenn die Leute wirkliches Interesse haben, dann kann das schon Spaß machen. Lesegruppen sind daher kein Thema, ich tue mich eher mit Gruppen von ›Betaleser*innen‹ schwer, aber manche Kolleg*innen schwören ja darauf.

Tris: Ich könnte mir vorstellen, dass zu viele Betaleser*innen auch zu viele gegensätzliche Meinungen haben und den Prozess des Schreibens erschweren könnten (zwinkert).

Jayden (nickt): Genau das ist es und es würde mich konfus machen.

Tris: Also eher ein sehr kleiner Kreis für das Feedback. Das finde ich schlau, denn mich würde es auch verwirren. Irgendwann läuft man dann sicher Gefahr sich zu verlieren.

Jayden: (nickt zustimmend)

Tris: Als du deinen Charakteren in deinem aktuellen Buch ein ›Gesicht‹ gegeben hast, hattest du bei der Persönlichkeit reale Vorbilder im Kopf oder hast du sie vielmehr so entworfen, dass du selbst spannend fandest? Haben sie vielleicht Marotten, die du magst oder verabscheust?

Jayden: Hmmm … nein ich glaube, ich habe sie tatsächlich entworfen (überlegt). Ich kann das aber nicht genau sagen, da ich ja noch im Schreibprozess bin und nicht weiß, wie sich das alles entwickeln und was noch passieren wird und wie die Protagonisten reagieren und handeln werden. Ich kann daher nicht ausschließen, dass ich da auf Verhaltensweise zurückgreife, die ich so nur von Menschen aus meinem Umfeld kenne. Zu den Marotten sage ich jetzt mal nichts, lass Dich überraschen (grinst geheimnisvoll).

Tris: Wenn ich das so lese, scheinen bei deinem Buch bisher noch alle Möglichkeiten offen zu sein. Und auf die Marotten bin ich sehr gespannt. Für mich als Leserin machen gerade die kleinen Dinge eine/n Protagonistin/en spannend und menschlich. Kannst du dein kommendes Buch mit fünf Worten umschreiben(grinst) und falls ja, welche wären es? Oder ist es dafür zu komplex? Du schneidest schließlich verschiedene Themen an.

Jayden: Dunkel, nasskalt, überraschend, verstörend, britisch.

Tris (klatscht in die Hände): Ich bin begeistert!! Das klingt ganz nach einem Buch, das ich unbedingt haben muss.

Jayden: Das hoffe ich doch (zwinkert).

Tris: Wie sieht es mit dem Cover des aktuellen Buches aus? Deine Dilogie zeigt zwei eher düstere Bilder. Wird auch dein aktuelles Buch farbentsättigt sein und eine einzelne Person zeigen, oder willst du das lieber zu einem späteren Zeitpunkt enthüllen?

Jayden: Ich mag keine bunten Cover für meine Geschichten. Ich finde nicht, dass sie passen würden. Das Coverbild für ›The K-Project‹ habe ich bereits. So etwas suche ich meist direkt, nachdem ich eine Vorstellung von dem habe, was ich schreiben möchte, denn es muss zwingend einen direkten Bezug haben. Einen Ausschnitt des Titelbildes zeigt aktuell die Frontseite meiner Webpage. Ein Junge, welcher Ledger als Kind darstellen soll. Sein Blick hat unfassbar viel Tiefe. Wenn man das vollständige Coverbild betrachtet, kann man sich darin verlieren und versteht so viel mehr, nachdem man die Geschichte gelesen hat. Sobald der Roman niedergeschrieben und bereit ist für die Publikation, werde ich das Cover gemeinsam mit dem Titel zeigen bzw. bekanntgeben.

Tris: Zumindest hätten bunte Cover absolut nicht zu deiner Dilogie gepasst (lacht). Es bleibt also erst einmal spannend mit ›The K-Project‹. Auf deiner Homepage kann man den Satz ›Taboos do not exist‹ lesen. Es gibt also nichts, was du in deinen Büchern niemals verarbeiten würdest? Oder existieren doch einige Themen, denen du dich nie widmen würdest.

Jayden: Gesellschaftliche Tabus wüsste ich jetzt keine, die ich nicht doch einmal anfassen würde. Allerdings muss man hier den Drahtseilakt bedenken, den man vollbringen muss, dass diese Themen nicht verherrlicht,  sondern möglichst nüchtern dargestellt werden. Natürlich rufen sie immer Gefühle beim Lesenden hervor, so sollte das bei einem gut geschriebenen Roman auch sein, aber das Geschriebene sollte niemals einen direkten Bezug zum Autor bekommen oder gar den Eindruck vermitteln, der Autor findet Gefallen daran.
Themen wie ›Daddy Kink‹, ›Man-Preg‹ oder Gestaltwandler würde ich mich niemals widmen. Ersteres bereitet mir Übelkeit, da hier für mich dieser besagte Drahtseilakt eben überhaupt nicht beherrscht wird. Ich fasse sowas nicht an und werde es auch niemals schreiben. Ich will den besagten Kolleg*innen nicht zu nahe treten, aber ich finde es persönlich befremdlich sich diesem Thema mit Wonne zu widmen. Aus meiner beruflichen Sicht haben diese Spielchen für mich immer einen sehr bitteren Beigeschmack und es liegt für mich eine ernstzunehmende sexuelle psychische Störung bei den Betroffenen vor. Ich kann da nicht aus meiner Haut. Damit will ich nicht sagen, dass dieser Kink keine Existenzberechtigung hat. Und sicherlich ist es auch ok darüber zu schreiben, aber dann mit einer kritischen Sichtweise. Wenn ich das Gefühl habe, die Thematik wird verharmlost und sogar verherrlicht, bin ich raus.
Man-Preg finde ich hingegen total verrückt und Gestaltwandler interessieren mich schlichtweg nicht.

Tris: Ich verstehe. Auch stelle ich es mir teilweise schwierig vor, beim Schreiben keine Position zu beziehen und alles gleichwertig nebeneinander bestehen zu lassen. Das ist sicher nicht einfach, aber für Lesende insofern interessant, da sie beim Lesen zum selbstständigen Denken gezwungen sind. Da du unter anderem Themen ausschließt, die eher in die Fantasy-Richtung gehen, nehme ich an, dass Contemporary das Genre ist, in dem du dich zu Hause fühlst?

Jayden: Ja, Fantasy ist nicht meins, da hast Du Recht. Ich schreibe tatsächlich lieber zeitgenössisch – also auch nicht in die Vergangenheit oder Zukunft orientiert.

Tris: Bei Daddy-Kink scheint es oft das Machtgefälle zu sein, was daran fasziniert. In deiner Dilogie gab es auch eines zwischen Nathanyel und Riley. Wird das auch in dem kommenden Buch Thema sein?

Jayden (zieht die Augenbrauen hoch): Fandest Du, dass es ein Machtgefälle gab?

Tris (lacht): Ja, irgendwie schon. Ich habe Nate an einigen Stellen als dominant wahrgenommen.

Jayden: Interessant nicht? Dabei konnte Riley immer schwer die Zügel aus den Händen geben. Ich fand es war ein permanentes Gerangel. Nate hätte ja gern, aber es hat ihn sicherlich gereizt, dass Riley sich nicht ganz so leicht lenken ließ. Und geil gemacht hat es ihn ja auch (lacht).
Hmm, es ist bei ›The K-Project‹ allerdings komplizierter. So platt kann man das, denke ich, nicht sagen.

Tris (lacht): Das meinte ich! Es war ein einzige Hin und Her zwischen »Nun mach doch endlich was ich will!« und »Wenn du es machst, wird’s langweilig, also mach es bloß nicht!!«
Es wird also auch in deinem neuen Buch wieder vielschichtig, spannend und verschachtelt. Ich mag solche Dinge in Büchern sehr. Vor allem dann, wenn ich den Hauptprotagonisten mag. Glaubst du, dass er in deinem neuen Buch ein Sympathieträger ist?

Jayden: Kann ich gar nicht sagen, aber ich hoffe es natürlich. Ledger wird ein sehr schwieriger Charakter für mich werden, da er nicht nur verschlossen ist, sondern auch nicht viel sagt. Das meiste spielt sich in seinem Innern ab und er ist ein sehr ernster Mensch. Wenn man einen Film dreht, kann man viel durch Mimik äußern. Diese aber immer schriftlich auf den Punkt zu bringen, wird eine Herausforderung sein. Riley war impulsiv, Nate war besonders und dazu arrogant wirkend, da konnte man eine Menge Dynamik erzeugen. Ledger hingegen ist leise und still. Es wird schwieriger für ihn sein, die Herzen der Lesenden zu erobern, denke ich. Aber so ist ja auch seine Persönlichkeit im Buch selbst.

Tris: Ich bin gespannt, wie du seine ›Stille‹ umsetzen wirst, denn gerade das könnte ihn wahnsinnig interessant machen, da man sich als Leser*in zu Beginn bestimmt fragt, was wohl in ihm vorgeht und warum er so ist, wie er eben ist. Ich persönlich mag die stillen, verschlossenen Typen sehr, denn meist verbirgt sich etwas unendlich interessantes hinter ihrem Wesen, was sowohl gut, wie auch schlecht sein kann und sich meist erst nach einer langen Zeit eröffnet.

Jayden (lächelt): Du hast es erfasst. Das ist das reizvolle an verschlossenen, sehr ungeschliffenen Charakteren.

Tris: Auf jeden Fall danke ich dir für deine Zeit, Jay.

Jayden: Oh, danke, dass ich hier sein durfte.

Tris: Es war mir ein ganz besonderes Vergnügen, dich ›ausquetschen‹ zu dürfen und diesen sehr tiefen Einblick in dein aktuelles Schaffen zu erhalten. Jetzt bin ich noch neugieriger auf dein kommendes Buch und natürlich auch gespannt auf alle, die auf dieses folgen werden.

Jayden: Freut mich – und glaube mir, da bin ich nicht minder gespannt als du (lacht).

Wenn Ihr jetzt neugierig auf den Autor geworden seid, dann folgt ihm gerne auf seiner Homepage, Facebook, Instagram, Spotify und YouTube.

Interview vom 21. & 22. Juli 2022